Alle nachfolgenden Artikel stammen aus Veröffentlichungen des SÜDKURIER vom 20.06.05:
SÜDKURIER, Lokalteil Überlingen
Erinnerungen an 2002 Kreisweite Katastrophenschutzübung auch an den Orten des Flugzeugabsturzes - Andelshofer Weiher als Wasserreservoir
Überlingen/Owingen (hpw) Eine Katastrophe kommt selten allein. Oder anders: Bei einer echten Katastrophe brennt es meist an allen Ecken gleichzeitig. Richtige Einschätzung der Lage, sinnvolle Koordination der Einsatzkräfte und entschlossenes Eingreifen mit dem erforderlichen Knowhow sind dabei gleichermaßen erforderlich, um wirksame Hilfe leisten und Menschen retten zu können. Beim Szenario eines Erdbebens probten die Rettungskräfte im ganzen Bodenseekreis am Samstag den Ernstfall und überprüfte das Zusammenspiel der verschiedenen Einrichtungen.
Schlimme Erinnerungen mochten während der Übung in den Menschen hochkommen, die in und um Owingen leben: Ausgerechnet in jenem Gebiet, wo beim Flugzeugabsturz im Jahr 2002 die Schreckensbilder echt waren und die Rettungskräfte 71 Leichen und die Trümmer von zwei Flugzeugen bergen mussten, fand nun ein Teil der Übung statt. Zwischen Brachenreuthe und dem Lugenhof waren mehrere Brände im Gelände zu löschen.
Wie der Einsatz abläuft, was sie zu tun haben, darüber hatten die zahlreichen Abteilungen der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks keine genaue Kenntnis. "Strengt Euren Kopf an", hatte ein Appell an die Einsatzkräfte gelautet. In sofern kam das Szenario einem Einsatz im Ernstfall bei unübersichtlicher Lage recht nahe. Auch da wären Informationen unvollständig und das Warten auf Hilfe könnte sich hinziehen.
Von einem Katastropheneinsatz war lange Zeit nur wenig zu sehen, nachdem der Alarm ausgelöst worden war. Erst als sich die Autos am Überlinger Burgberg über mehrere Kilometer zurück stauten, wurde deutlich: Da tut sich was. Auch angenommene Erdbeben richten sich eben nicht nach der Rush Hour oder dem Ausflugsverkehr.
Fast eine Stunde war seit dem Alarm schon vergangen, als Hubert Vögtle von der Feuerwehr Frickingen an der Owinger Abzweigung zum Lugenhof allmählich ungeduldig wird: "Langsam bin ich etwas beunruhigt. Eigentlich müsste es hier im Wald schon rauchen." Qualm stieg derweil wenig später über Brachenreuthe auf, wo ein anderes Einsatzzentrum lag. Und am Andelshofer Weiher wartete der Posten von der Spetzgarter Schulfeuerwehr kurz vor 10 Uhr noch vergebens auf die Kollegen aus Sipplingen und auf das THW. Mit vereinten Kräften sollten beide Wasser aus dem Weiher fördern und über eine lange Schlauchleitung zu einem Brandherd pumpen. Die Löschmänner hatten schon ihr Pufferbassin aufgebaut und Leitungen verlegt.
Doch wo blieb das THW? "Wir haben keinen Einsatzbefehl erhalten", sagte gut 20 Minuten später der THW-Gruppenführer, während seine Kollegen 200 Meter entfernt ein Schlauchboot zu Wasser lassen, um eine schwere Saugpumpe auf einem Ponton ans benachbarte Ufer zu schleppen. Das THW musste am unzugänglichen Schilfsumpf ran, weil der Feuerwehr die nötige Ausrüstung fehlte.
Sogar ein bisschen erschwert waren die Bedingungen an diesem Morgen: Denn die Aktionen mussten sich auch noch am Naturschutz orientieren. Im Ernstfall wäre die Ökologie wohl sekundär, wenn es darum geht möglichst schnell Menschen zu retten.
SÜDKURIER, Lokalteil Markdorf
Ganzes Können der Helfer abverlangt Die Rettungskräfte wurden bei der Katastrophenschutz-Vollübung "Kater 05" in Markdorf stark gefordert
Rund 400 Einsatzkräfte waren am Samstag in Markdorf im Rahmen der Katastrophenschutz-Vollübung "Kater 05" im Einsatz. Während die Arbeit der Helfer vor Ort reibungslos ablief, wurden Kommunikationsprobleme bei der Koordinierung im Landratsamt deutlich. Insgesamt waren 1400 Rettungskräfte im Bodenseekreis im Einsatz.
Markdorf VON MATTHIAS SCHOPF
Markdorf - Es war kein alltägliches Szenario, das die Rettungskräfte bei der Katastrophenschutz-Vollübung "Kater 05" in Markdorf erwartete. Laut Übungsannahme erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6 den Bodenseekreis und verursachte schwere Schäden im gesamten Kreisgebiet. Durch die Erdstöße verlor der Fahrer eines mit 33000 Liter Methanol beladenen Lastzuges in den Serpentinen der Talstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Tankwagen rammte zwei Autos, kollidierte mit einem Lastwagen, der Betonteile transportierte, stieß mit einem weiteren Fahrzeug zusammen und prallte auf einen mit Gefahrstoffen beladenen Kleinlaster, bevor er leckgeschlagen auf dem Gelände des Bauhofes zum Stehen kam.
Das Technische Hilfswerk (THW) Weingarten hatte bereits in den frühen Morgenstunden mit dem Aufbau begonnen. Schwere Betonteile und die Unfallfahrzeuge wurden auf der Strecke platziert und mit - realistisch geschminkten - Verletzten besetzt. Pünktlich um 8.11 Uhr wurde der Katastrophenalarm für den Bodenseekreis ausgelöst. Im gesamten Kreis wurden die Einsatzkräfte zu verschiedenen Szenarien gerufen. Kurz nach halb neun kam in Markdorf der Bus aus dem Landratsamt an, der Pressevertreter, den Landrat und weitere Beobachter zum Übungsbeginn in der Gehrenbergstadt brachte. Laut Plan sollte um 8.45 Uhr die Feuerwehr Markdorf alarmiert werden. Aber wegen Koordinationsproblemen im Landratsamt dauerte es fast eine dreiviertel Stunde, bis die Helfer gerufen wurden. Die Feuerwehr baute sofort eine Einsatzleitung auf, von der aus die verschiedenen Maßnahmen organisiert wurden.
Aus dem ganzen Umland wurden Einheiten nach Markdorf in Gang gesetzt. Vor allem der Tankzug und der Kleinlaster mit Gefahrstoffen sowie der Unfall in der Serpentine forderte die Helfer. Auf dem Kleinlaster waren Kanister mit grün gefärbtem Wasser aufgestellt, aus denen in Folge der Kollision die Flüssigkeit austrat. Die Floriansjünger mussten nun - in aufwendige Schutzkleidung verhüllt - ein weiteres Auslaufen verhindern und die - im Realfall gefährliche Substanz - binden und von der Straße entfernen. Der Tanklaster im Bauhof wurde mit Spezialschaum eingesprüht, um ein Entzünden zu verhindern.
Schwierig stellte sich für die Helfer vor allem der Unfall in der Serpentine dar. Ein Fahrzeug hatte sich überschlagen und war neben der Straße an einem Baum zum Stehen gekommen, das andere war rund vier Meter in die Tiefe in ein Bachbett gestürzt. Der steile und vor allem rutschige Abhang forderte den Feuerwehrleuten und Sanitätern ganzes Können ab. Nur mit Mühe konnte die Feuerwehr Deggenhausertal gemeinsam mit dem Roten Kreuz Salemertal die Verletzten aus dem Abgrund retten. Die Schnelleinsatzgruppe Markdorf hatte eine Verletzen-Sammelstelle aufgebaut, an der sie die fünf Verletzten versorgte.
"Wir sind mit dem Ablauf der Übung zufrieden, es lief alles sehr gut ab", berichtet Tobias Eberle vom DRK-Ortsverband Markdorf. Problematisch sei nur gewesen, dass gleich alle Aufgaben sichtbar gewesen waren, obwohl sie laut "Drehbuch" der Übung erst später auftauchen. "Deshalb sind wir mehrmals an Verletzten vorbeigegangen, was viele Zuschauer nicht verstanden haben", erklärt Eberle. "Die Alarmierung war nicht die beste, aber feuerwehrmäßig hat alles gut funktioniert. Ich könnte nicht sagen, dass es schief gelaufen wäre", ist sich Johannes Beck sicher, der die Einsatzleitung der Markdorfer Feuerwehr inne hatte.
Am Kommunikationsproblem, das zur späten Alarmierung der Markdorfer geführt hatte, müsse man noch arbeiten, sagt auch Kreisbrandmeister Henning Nöh. "Die Einsatzkräfte haben gezeigt, dass sie ihre Arbeit können", attestierte er. "Der Ausbildungsstand ist top, da kann man nichts sagen. Taktisch wurde alles so gemacht, wie wir es erwartet hatten", lobte sein Stellvertreter Wolfgang Maier.
SÜKDURIER, Seite "Bodenseekreis"
"Am Anfang steht immer das Chaos" Übungsziele bei der Katastrophenschutz-Vollübung "Kater 05" weitgehend erreicht
Rund 1400 Rettungskräfte, Funkamateure und Komparsen beteiligten sich am Samstag an der Katastrophenschutz-Vollübung "Kater 05" im Bodenseekreis. Angenommen wurde ein Erdbeben der Stärke 6 auf der Richterskala bei Romanshorn, das zu starken Zerstörungen im gesamten Bodenseekreis führt. Die Großübung verlief erfolgreich, auch wenn es zu Beginn Kommunikationsprobleme gab.
Friedrichshafen/Markdorf VON GEORG WEX
Friedrichshafen/Markdorf - Ab 8.11 Uhr galt am Samstag Katastrophenalarm im Bodenseekreis. "Gott sei dank üben wir das nur", meinte Landrat Siegfried Tann in der morgendlichen Pressekonferenz im Landratsamt. Angenommen wurde, dass es gegen 5.01 Uhr ein schweres Erdbeben mit Epizentrum bei Romanshorn gegeben hatte. Ab 5.10 Uhr waren die Freiwilligen Feuerwehren, die Werksfeuerwehren, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter Unfallhilfe das Technische Hilfswerk, das DLRG und die Deutsche Rettungsflugwacht im Einsatz, um den Opfern zu helfen. Unterstützt wurden sie von den Funkamateuren im Bodenseekreis und erstmals dem Filmclub Friedrichshafen, die Live-Bilder von den Katastrophenorten ins Landratsamt sendeten.
Gegen 6.40 Uhr wurde dort eine Nachrichtensammelstelle eingerichtet und gegen 7 Uhr der Katastrophenschutzstab, mit dem Ersten Landesbeamten Joachim Kruschwitz als Leiter. Im Ernstfall stände hier Sabine Reiser als zuständige Dezernentin an der Spitze. Sie hatte durch die Vorbereitung der Großübung aber genaue Kenntnisse der Ereignisse. Kreisbrandmeister Henning Nöh leitete die Technische Einsatzleitung (TEL), die auf Weisung des Katastrophenschutzstabes die Einsatzkräfte vor Ort koordiniert.
Und dann gab es eine Panne: Die Alarmierung der Einsatzkräfte vor Ort zu den vorbereiteten Szenarien (siehe rechte Spalte), verzögerte sich. "Dafür trage ich die Verantwortung", sagte Kreisbrandmeister Henning Nöh später dem SÜDKURIER.
Das Problem: Die Weiterleitung der Meldungen zwischen den Stäben und ihren Abteilungen im Landratsamt erfolgt, wie vorgeschrieben, über Meldezettel. Die Mitteilungen gingen im Erdgeschoss ein, die TEL saß im vierten Stock. Dazwischen wurden Meldegänger eingesetzt. Diese hatten ihre Not, ständig vier Stockwerke hochzulaufen. Zudem war eine Schadensmeldung vorübergehend verschollen.
"Am Anfang steht immer das Chaos", meinte Kruschwitz dazu. Als Konsequenz soll es künftig mindestens einmal jährlich eine Stabsrahmenübung geben, kündigten Nöh und Kruschwitz an. "In dieser Konstellation haben wir auch noch nie geübt", gab der Erste Landesbeamte zu bedenken. Die letzte Katastrophenschutz-Vollübung war vor 17 Jahren. Damals war angenommen worden, ein Zug mit Gefahrgut sei bei Kressbronn entgleist. Zwar habe es einige Unglücke gegeben, wie das Jahrhunderthochwasser und der Flugzeugabsturz bei Überlingen, das seien jedoch begrenzte Ereignisse gewesen und keine Katastrophen im Sinne des Katastrophenschutzes. Hier wird von einer Gefährdung erheblicher Sachwerte, der Umwelt sowie Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen oder der Versorgung ausgegangen, erläuterten Reiser und Kruschwitz.
Nach der "Chaosphase" lief alles wie am Schnürchen. Um 12.06 Uhr wurde der Katastrophenfall aufgehoben. Landrat Tann stellte bei der Abschlussveranstaltung für die Rettungskräfte am Nachmittag in Markdorf fest: "Wir haben unsere Hausarbeiten gemacht und sind für den Katastrophenfall hervorragend gerüstet. Die Ziele wurden in hohem Maße erreicht." Aber die Kommunikation könne noch verbessert werden. Die Auswertung der Übung werde allerdings noch Wochen dauern.